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Tiger und Drache - Prolog II
(Fortsetzung)
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Die Rothaarige rümpfte die Nase als, sie, endlich wieder an der frischen Luft, den Rauchgestank an ihrer Kleidung roch. Gestern abend, erinnerte sie sich vage, war das zwar der primäre Grund gewesen, das Zeug auszuziehen, doch sie hatte den Gestank in den Stunden der Nacktheit einfach verdrängt. Es wurde Zeit, ein Badehaus anzusteuern, und vorher noch das kleine Zimmer, wo sie einen zweiten Satz Kleidung deponiert hatte. Ihren einzigen jetzt. Was sie noch am Leibe trug, war nur mit viel gutem Willen noch als Putzlumpen zu gebrauchen, und sie hatte nicht vor zu putzen.
Mit einem fließenden Seitenschritt wich sie einem Zwerg aus, der einem Gnom hinterherrannte - vermutlich ein Händler, der einen Dieb verfolgte, so, wie der Zwerg beim Rennen brüllte. Zu verstehen war wenig. Sie verschwendete keinen Gedanken an Sandal, während sie es genoß, durch die belebte Stadt zu gehen, wo nun, am Vormittag, die erste große Welle der Geschäftigkeit herrschte. Jäger kehrten, mit Beute beladen, zerschlagen oder beides, aus den Wäldern und Sümpfen zurück, Händler priesen ihre Waren, und wer noch etwas Zeit verbummeln wollte, ehe es Zeit wurde, die Arbeit zu beginnen, war am Duellplatz zu finden, entweder als Kämpfer in der Arena oder als Zuschauer außen herum.
Gutgelaunt und beschwingt durch die vielen lebhaften Menschen betrat Aemera schließlich die kleine Pension, in der sie sich eingemietet hatte, und begegnete den erstaunten Blicken der Hauswirtin mit einem entwaffnenden Lächeln. Ohne viel Aufhebens stieg sie dir Treppe zu ihrer Kammer hinauf, nahm sich dort die sauberen Kleider und stieg auch gleich wieder hinunter. Sie war aus der Türe hinaus, ehe die grauhaarige Wirtin etwas sagen konnte.
Wenig später kam sie am öffentlichen Badehaus an, und zu ihrem Glück war auch direkt ein Einzelzuber frei, in dem sie ungestört sein würde. Kaum hatte die Badermaid den letzten Eimer heißen Wassers in den Zuber geleert und den Vorhang hinter sich geschlossen, da war Aemera schon aus ihren Kleidern heraus und stieg in das dampfende Naß. Sie ließ sich bis zum Hals hineinsinken und spürte, wie die Wärme sie umfing und Knoten in ihren  Muskeln löste, von denen sie nicht gewußt hatte, daß sie da waren, bis sie verschwanden.
Wohlig seufzend schloß sie die Augen, um sie danach nur halb wieder zu öffnen. Direkt vor ihrer Nase stieg Dampf von der Wasseroberfläche auf und waberte wie Rauch.
Rauch...

Ja, da war Rauch gewesen, bevor sie bewußtlos geworden war, und der Rauch hatte ihr auch noch immer in die Nase gebissen, als sie wieder zu sich gekommen war, fest davon überzeugt, daß sie tot sein müßte. Doch dann waren Stimmengewirr und erleichterte Stoßseufzer an ihr Ohr gedrungen, als sie geblinzelt hatte, und kurz darauf hatte sie neben sich gequältes Husten gehört. Sie lebte noch, also mußte irgendwer sie aus dem brennenden Laboratorium geholt haben.
Nur langsam drangen die weiteren Geräusche an ihre Ohren: Das Prasseln des Feuers, das Geräusch, mit dem Wasser auf den Flammen und glühenden Balken verdampfte, das Weinen, mit dem ein Mann beklagte, daß seine Frau zur falschen Zeit noch ins Laboratorium hatte gehen müssen... Mit einem flauen Gefühl im Magen erinnerte die junge Priesterin sich an die tote Gnomin, deren Seele sie noch den Göttern empfohlen hatte.
Sie spürte eine Hand an der Schulter, und schlug die Augen auf. Über ihr kniete eine Frau, die ihr mit besorgt-erleichtertem Lächeln einen Becher hinhielt.
Mit einem gemurmelten Dank stemmte Aemera sich auf die Ellenbogen hoch, tauchte die Fingerspitzen in den Becher und rieb sich mit den so benetzten Fingern über die brennenden Augen. Erst dann nahm sie den Becher, um daraus zu trinken, und sah sich weiter um. Als sie sah, wer keuchend neben ihr auf dem Rücken lag, ein rußiges Hemd noch halb über das Gesicht geschlungen, setzte ihr Herz für einen Schlag aus.
Das war der Fremde, der ihr vorher am Abend schon einmal geholfen hatte!
Geistesabwesend gab sie der Frau den Becher zurück, ohne den Blick von dem Mann zu lassen, und falls die andere noch etwas sagte, bemerkte die junge Priesterin es nicht. Ihr Retter hatte die Augen geschlossen, schien ganz darauf konzentriert, wieder zu Atem zu kommen. Noch während sie ihn beobachtete, sah sie seinen Brustkorb sich wieder ruhiger heben und senken, und die eben noch hervorstechenden Adern an Hals und Armen wieder schwollen beim Zusehen wieder ab.
Ihre eigene Erschöpfung fiel von ihr ab, als Aemera sich ganz aufsetzte und zu dem Mann drehte. Helfer, Gaffer, Opfer und das hell lodernde Feuer in der Nacht traten hinter die Wahrnehmung des kantigen Gesichts zurück; ihre Augen sahen nur noch die geschlossenen, leicht bebenden Lider, die Rußspuren und Rötungen um die Augen, wo die Haut nicht von dem Hemd bedeckt gewesen war, und die hellen Narben, die Linien um Nase und Mundwinkel, die sich vertieften, als er bei einem tieferen rasselnden Atemzug das Gesicht verzog.
„Du...“
Es war ihre eigene Stimme, die da noch durch das Rauschen drang, welches die Geräusche verdrängt hatte. Sie hatte nicht sprechen wollen, hatte das Wort erst bemerkt, als es schon längst über ihre aufgesprungenen Lippen gekommen war. Sie hatte sich tiefer über ihn gebeugt, als ob ihr Körper einem eigenen Willen folgte, bis sie den Atem aus seinem Mund auf ihrem Gesicht hatte spüren, die Reste des Alkohols darin hatte riechen können.
Dann hatte er plötzlich die Augen aufgeschlagen.

Sie schlug die Augen auf und starrte für einen Moment blicklos in den Dampf, der sie und den Badezuber umgab. Nicht der Rauch des Brandes und der Geruch seines Atems waren in ihrer Nase, sondern der feuchte Rosmarinduft des warmen Wassers, in dem sie lag, doch die Stille in ihren Ohren war so vollkommen wie in jenem Moment, als seine dunkelbraunen Augen sich in ihre gebohrt hatten.
Dann fiel in einem der Nebenräume etwas klappernd zu Boden, eine Männerstimme begann lauthals zu fluchen, und Aemera wurde endgültig wieder ins Hier und Jetzt zurückgeholt. Nur das Bild dieser braunen Augen blieb noch zurück, als wollte ihr Retter - Sandal - sich jetzt, in absentia und nachdem er sie aus dem Hausgeworfen hatte, wieder in ihr Gedächtnis einbrennen.
Nun war es an ihr zu fluchen, daß sie sich so aus der Fassung bringen ließ, und mit lautem Platschen und Blubbern tauchte sie tief in das Wasser ein.

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Sandal saß noch eine ganze Zeit lang an die Tür seines Schlafzimmers gelehnt, ehe er sich wieder erhob und anzog. Seine Bewegungen waren steif, mechanisch, und ebenso ging er in die Küche, um die Lebensmittel wieder wegzuräumen und das Geschirr in der Spülschüssel abzuwaschen. Kurz verkrampfte sich seine Hand um den Becher, aus dem die Tigerin ihren Tee getrunken hatte, ehe er das Gefäß entschlossen in das Seifenwasser warf.
Er zwang seine Gedanken, sich auf die anstehenden Arbeiten zu richten, bis er schließlich mit zusammengebissenen Zähnen seine Werkzeuge zusammenpackte und das Haus verließ. Er verriegelte die Türe und machte sich auf den Weg zur Schmiede, mit zusammengezogenen Augenbrauen und finsterem Blick. Er bemerkte nicht, daß jeder, der ihm ins Gesicht sah, einen weiten Bogen um ihn machte.
Doch der Weg zu den öffentlichen Schmiedegebäuden war weit, und während er ging, schien ihm die Sonne beständig ins Gesicht. Mit jedem Schritt, den er ging, taten ihre wärmenden Strahlen ihre Wirkung, und allmählichen wurde aus dem düsteren Starren das normale Stirnrunzeln, das ein Mann auflegen würde, den einfach nur die Sonne blendete.
Er war froh, als sein Weg ihn an den Kräutergärten und Parks der Akademie vorbeiführte; das Blätterdach der Bäume spendete angenehmen Schatten, und er schüttelte befreit den Kopf, um seine verkrampften Gesichtsmuskeln wieder zu lockern.
Es verwirrte und ärgerte ihn zugleich, daß er sich hatte dazu hinreißen lassen. Seit wie vielen Jahren hatte er nun schon jeglichen intimeren Kontakt mit Frauen gemieden? Fünf? Sechs? Er war sich nicht mehr sicher; die Zeit war irgendwann einfach weitergeflossen und hatte ihre Bedeutung verloren, während er sich als Schmied geübt und die Kämpfe und Kriege zu vergessen gesucht hatte. Was ihm nicht immer gelungen war, doch zumindest hatte er es seither immer vermeiden können, andere in sein Leben zu ziehen.
Und nun waren die Geister der Vergangenheit wieder geweckt. Sein Körper erinnerte sich wieder an den Kampf, verlangte förmlich danach, daß er die alten Bewegungen wieder ausführte; daß er die Muskeln wieder zum Führen eines Schwertes und nicht nur zum Schwingen eines Schmiedehammers nutzte. Er spürte es an der Art, wie seine Beine sich bewegten, wenn er ging, und daran, wie seine Schultern bei jedem Schritt rollten, obwohl er keine Waffe, sondern nur eine Tasche mit Werkzeugen geschultert hatte, bereit zum Zuschlagen.
Und verdammt mochte er sein, wenn er leugnete, daß ein Teil von ihm sich nur einen Grund dazu wünschte.
Doch der andere Teil seiner selbst, jener, welcher des Blutvergießens müde war, hatte zu lange sein Denken bestimmt, als daß er dem jetzt so einfach nachgeben würde. Abermals rang er den Gedanken nieder, und sah zum Laubdach der Bäume hinauf. Das Grün der Blätter war noch frisch und satt, gesprenkelt mit goldenen Sonnenstrahlen, die verspielt darauf tanzten.
Grün und Gold...

Grün und Gold war das erste gewesen, was er wahrgenommen hatte, als er die Augen wieder aufschlug. Der Anblick hatte ihn wie ein Faustschlag getroffen, und während sein Verstand die Erkenntnis noch zu leugnen versucht hatte, weitete sich sein Blickfeld aus. Er hatte die blutunterlaufenen und vom Rauch tränenden Augen gesehen, die trotz der Schatten vom Feuer hinter der Frau geleuchtet hatten wie ein sonniger Wald im Frühling, golddurchwirktes Grün. Dann hatte er die Wangen mit den Rußspuren erkannt, und die leicht geöffneten Lippen, die noch sachte gezittert hatten von dem leisen Wort, das an seine Ohren gedrungen war.
„Du...“
Es war die Rothaarige, die er früher am Abend schon einmal vor Schlimmerem bewahrt hatte! Konnte das noch Zufall sein?
Das Hämmern seines Herzens im Brustkorb und das Rauschen in seinen Ohren übertönten jedes andere Geräusch. Mit dem Feuerschein im Rücken sah ihre rote Mähne aus, als brenne sie, und ... etwas ... in ihm reagierte darauf. Ein Wille, den er tief in sich begraben geglaubt hatte, erhob sich drängend gegen die Fesseln, die Sandal ihm angelegt hatte, und er hob eine Hand und griff nach der Frau. Sie ließ es geschehen, daß seine große, schwielige Hand sich um ihren grazilen, weißen Nacken legte, und schloß die Augen.
Einen Atemzug später zog er sie an sich, drückte sie an seine Brust, so fest, als wolle er sie sich einverleiben. Doch immernoch wehrte sie sich nicht, im Gegenteil - als er ihr mit seiner ungestümen Umarmung die Luft aus den Lungen zu pressen schien, entfuhr ihr nur ein Seufzer, und als er den Griff dann doch wieder lockerte, drängte sie sich noch immer seinem Körper entgegen, stärker fast noch, als er sie zuvor an sich gezogen hatte.
Eine Weile blieben sie so auf dem Pflaster liegen, und unter dem Geruch des Brandes fand seine Nase immernoch den Kräuterduft ihrer Haare, den er gierig einsog. Nur am Rande nahm er wahr, daß eine Frau mit einem Becher in der Hand lächelnd neben ihnen stand. Mochte das Weib nun denken, was es wollte - er schloß einfach wieder die Augen und hielt die Tigerin weiter fest. Es fühlte sich... richtig an.
Die Zufriedenheit des Augenblicks auskostend, hatte er kein Gefühl mehr dafür, wieviel Zeit vergangen war, bis er schließlich Feuchtigkeit seinen Hals hinabrinnen spürte. Behutsam glitten seine Hände zu ihren Schultern und drückten sie vorsichtig in die Höhe, daß er ihr Gesicht betrachten konnte. Saubere Linien und Flecken in dem Ruß auf ihrer Haut markierten die Tränen, die aus ihren Augen geflossen waren, doch ihre vollen, geschwungenen Lippen lächelten ihn an.
„Warum weinst du?“ fragte er im Flüsterton, unsicher, ob seine Stimme nicht brechen würde, wenn er lauter sprach.
Sie hatte nicht sofort geantwortet. Er hatte erkennen können, wie ihr Blick über sein Gesicht gewandert war, jeden Knochen, jeden Muskel, jede Linie und jede Narbe in sich aufnehmend; und er hatte sehen können, wie weitere Tränen Spuren in den Dreck auf ihren Wangen gewaschen hatten, bevor sie als winzige Tropfen von ihrem Kinn auf seine Brust getropft waren. Er hatte eine Enge um die Brust gespürt, doch nicht aus Furcht vor dem, was sie hätte sagen können, sondern vor dem, was sie nicht hätte sagen können.
Endlich hatte ihr Blick wieder den seinen gefunden, und das grüne Feuer ihrer Augen hatte sich in seine Seele gebrannt.
„Weil du da bist.“

„Heh, suchst du Streit?“
Die arrogante Stimme und ihr Besitzer, der sich ihm plötzlich in den Weg stellte, rissen Sandal aus seinen Erinnerungen. Überrascht und ein wenig ärgerlich musterte er den jungen Elfen, der sich breitbeinig und mit einer Hand am Knauf seines Schwertes vor ihm aufgebaut hatte. Seine Rüstung aus verschwenderisch verzierter Riesenhaut war nagelneu und sah nicht eben billig aus; ebensowenig die Klinge, eine fast noch schartenfreie Flamberge. Und vermutlich wußte der Elf auch damit umzugehen - nicht, daß das Sandal sonderlich beeindruckt hätte.
„Nein, sicherlich nicht“, antwortete er mit aller Ruhe, die er aufbringen konnte. Nur die rechte Hand des Schmieds, die sich um den Trageriemen der Werkzeugtasche zur Faust ballte, verriet seine innerliche Anspannung, als er darum kämpfte, dem Drang nach Blutvergießen nicht nachzugeben. ‚Oh Metarian’, flehte er stumm, ‚laß andere deine Kriege ausfechten! Und vor allem, laß sie sie nicht hier ausfechten!’ Seine Kriegernatur bäumte sich auf, doch noch hatte er sie unter Kontrolle.
„Warum läufst du Mensch dann hier rum, als gehöre dir die Stadt?“ schnauzte der Elf, und halblautes Gelächter hinter und neben ihm verriet Sandal, daß der Elf nicht alleine war, ohne daß er sich nach den Kumpanen umzudrehen brauchte. „Weißt du nicht, daß wir Elfen diese Stadt errichtet haben? Zeige gefälligst etwas mehr Respekt!“
Oh ihr Götter, ein rassistischer Elf! Das hatte ihm jetzt gerade gefehlt...
Obwohl er sein Herz schneller schlagen spürte und seine Armmuskeln zu zucken begannen, gelang es ihm, eine einigermaßen respektvolle Verbeugung zu machen. Mit gesenktem Kopf sagte er: „Verzeiht, daß ich Euch nicht als einen Fürsten dieser Stadt erkannt habe, mein Herr. Vergebt diesem armen Schmied.“
Vielleicht lag es an der Anspannung in Sandals Stimme, vielleicht aber auch nur daran, daß die Elfen einen über den Durst getrunken hatten - seine Worte schienen sie jedenfalls nicht zu besänftigen. Als er das scharfe Geräusch hörte, mit dem ein Schwert aus der Scheide gezogen wurde, reagierten seine Reflexe schneller als sein Verstand: Die schwere Tasche schwang von seiner Schulter und in einem Halbkreis um ihn herum, und ein dumpfes klatschendes Geräusch sowie das abrupte Ende der Bewegung markierten seinen Treffer.
Wortloses Brüllen war die Antwort - aus einer Kehle voller Schmerz über ein gebrochenes Gelenk, aus drei oder vier anderen voller boshafter Freude. „Er hat Tilian verletzt! Auf ihn!“, schrie der erste Elf und schwang mit gehässigem Grinsen seine Flamberge.
Dem ersten Hieb wich Sandal noch tänzelnd aus, ebenso dem zweiten. Er bereute den Schlag mit der Tasche bereits - nicht, weil er die Elfen nicht würde besiegen können. Selbst mit bloßen Händen hätte er diesen Schnöseln ohne weiteres den Gar aus machen können. Doch er hatte sich geschworen, nicht mehr zu kämpfen, erst recht nicht gegen jene, die unschuldig waren. Diese Elfenbengel hier mochten dumm und arrogant sein, doch er hatte sie nicht Frauen und Kinder schänden oder Dörfer abfackeln sehen. Er warf die Tasche von sich...
...  und ein Schlag mit einem Speerschaft in die Kniekehlen schickte ihn zu Boden. Zähneknirschend, und mit geballten Fäusten, steckte er Schläge und Tritte ein, fast mehr damit beschäftigt, den aufkochenden Blutdurst zu zügeln als den Schmerz zu spüren, als eine Klinge ihm den Oberarm aufriß und eine andere in seinen Oberschenkel stach.
„Lemnos, der wehrt sich ja gar nicht mehr“, hörte Sandal einen der Elfen beleidigt maulen, und kurz darauf traf ein schleimiger Klumpen jene seiner Wangen, die nicht im Staub der Straße lag.
Der erste Elf antwortete: „Er scheint wohl jetzt zu wissen, wo sein Platz ist, der dämliche Mensch!“ Ein Tritt mit der Stiefelspitze in die Nieren entlockte dem Schmied ein kehliges Stöhnen, und Lemnos lachte. „Aber es gibt noch Geräusche von sich - laßt uns die Lektion vertiefen, meine Herren!“

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Aemera zog sich gerade ihr leinenes Unterhemd über den Kopf, als sie vor der Türe zu ihrer Zuberkammer eine der Badermaiden aufgeregt schnattern hörte. Zuerst achtete die Priesterin nicht darauf, doch dann hört sie etwas, das sie aufhorchen ließ.
„... noch nicht tot ist, ist ein wahres Wunder! Er hat sich nicht gewehrt, und das, obwohl Lemnos und seine Kumpanen mit Speeren und Schwerter auf ihn einschlagen! Bei allen Göttern, Meisterin, der Mann blutet schlimmer als ein Schwein!“
Aemeras Kopf ruckte hoch, und im nächsten Augenblick raffte sie ihre Habe so schnell sie konnte zusammen. Verdammte Tratschweiber! Sicher hatte keine von denen einen Heiler gerufen. Sie hatte zwar keine Ahnung, wer dieser Lemnos sein sollte, aber sicher hatte doch niemand in dieser Stadt - oder in diesem Land, bei Levonar und Neriel! - das Recht, einfach einen Wehrlosen auf der Straße zu Tode zu prügeln!
Sie stürzte aus der Kammer und sah sofort die kleine blonde Badermaid, die noch immer hektisch auf die Baderin einredete.
„Du! Mädchen!“ Aemeras grüne Augen funkelten bedrohlich, was die Wirkung nicht verfehlte. Die Blondine schluckte und sah sie mit zitternder Unterlippe an. „Führ mich sofort da hin, wenn du heute abend noch sitzen können willst! Die Rechnung begleiche ich später“, fügte sie, an die Badermeisterin gewandt, hinzu, ehe sie von der Gehilfin geführt auf die Straße eilte. Mit scharfen Worten trieb sie das Mädchen weiter an, bis sie an den Park der Akademie gelangten - und ab hier war auch schon auszumachen, wo das grausige Schauspiel stattfand. Eine Traube aus Menschen, Gnomen, Zwergen und Elfen hatte sich gebildet, und rücksichtslos drängte sich die junge Priesterin hindurch, hier und da mit den Ellenbogen jemanden zur Seite stoßend, bis sie mit einem letzten Schritt praktisch aus der Menge herausfiel. Mit einem Blick erfaßte sie die Situation.
Vier Elfen standen im Halbkreis um einen fünften und einen blutigen Haufen am Boden. Einer der Elfen hielt sich eine Hand an die Brust, als sei sie gebrochen, während die anderen etwas verlegen wirkten, wie sie ihre blutigen Waffen - zwei Schwerter und einen Speer- hielten und den fünften beobachteten. Dessen Blick in dem zu einer Fratze verzerrten Gesicht hinter dem wirbelnden Vorhand weißblonden Haares war nur als wahnsinnig zu beschreiben. Er lachte schrill, hielt mit einer Hand eine blutbeschmierte Flamberge und trat wieder und wieder auf die Gestalt am Boden ein. Die war kaum noch als Mensch auszumachen und lag in einer beständig größer werdenden Lache Blutes.
„Halt ein, du Narr!“
Ihre Stimme hallte über den leeren Platz, laut und klar, und alle Köpfe ruckten zu ihr herum - nur der des Elfen nicht, der weiter wie besessen sein Opfer mit Stiefeln traktierte. Ihre grünen Augen fixierten ihn funkelnd, und alles andere schien in den Hintergrund zu treten. Ihr Geist griff nach vorne, versuchte seinen zu berühren, und zischend sog sie die Luft ein, als sie auf eine rußigrot brennende Aura stieß. Kein Geist für einen Ort wie diesen.
Aemera hob die Arme beschwörend gen Himmel, und ihre sonst so weiche Stimme begann, dunkel und bestimmt einen Vers zu rezitieren:

„Brennendes Auge, hast genug dich nun geweidet,
Dein Diener mag brennen, doch wird nun erkalten!
Such dir einen andern, der deinen Wahn begleitet,
laß hier den Baum des Lebens nun walten!
Brennendes Auge, hebe dich fort, dein Wüten verlasse sogleich diesen Ort!
Levonar, Neriel, ich rufe Euch an!
Belegt diese Seele mit linderndem Bann!“

Für einen Augenblick schien nichts zu geschehen, und der Elf holte zu einem weiteren Tritt gegen den am Boden Liegenden aus.
Dann verschwamm die Welt vor Aemeras Augen.

Wir haben deinen Ruf vernommen, Tochter.
Aemera konnte nicht sagen, wie viele Stimmen sprachen, männliche und weibliche, als ihr Geist in die Erinnerung fiel.

„Weil du da bist“, hatte sie gesagt, während ihr immer noch die Tränen über die Wangen gelaufen waren. Staunen hatte in seinen Augen gelegen, als er zu ihr aufgesehen hatte, während der Schein des brennenden Laboratoriums wilde Schatten über sein Gesicht hatte tanzen lassen.
Ja, sie erinnerte sich, daß der Moment wie ein Glockenschlag durch ihre Seele gehallt war, als er sich aufgerichtet und sie auf die Arme genommen hatte. Ohne zu sprechen und ohne den Blick von ihrem zu lösen hatte er sie fortgetragen, weg von dem Ort, an dem er sie zum zweiten Mal gerettet hatte, hin zu seinem Heim. Sie hatte nicht darauf geachtet, wo das war oder wie das Haus ausgesehen hatte - sie war nur dem gefolgt, was in ihrem Herzen ‚richtig’ und ‚wichtig’ gewesen war.
Als er sie schließlich auf sein Lager gelegt hatte, hatte sich der Augenblick in die Ewigkeit gedehnt, hatte das Feuer ihrer Leidenschaft die Nacht und alle Sterne ausgelöscht, während sie sich liebten, wieder und wieder, bis zum Morgengrauen.
Und keine Lehre in keinem Kloster hatte sie darauf vorbereiten können.

Ein Wimpernschlag.
Aemeras Blick klärte sich.
Ein halber Atemzug war vergangen.
Die Menge der Umstehenden hielt den Atem an.
Wieder hallte ein Glockenschlag laut und mächtig durch ihre Seele.
Sie flüsterte ein einzelnes Wort.
Der Elf, dessen Fuß noch immer zum Tritt erhoben war, verdrehte die Augen, warf den Kopf in den Nacken und heulte, einen langgezogenen wortlosen Schrei. Das gewellte Schwert entfiel seinen plötzlich kraftlosen Fingern, ehe er selbst zusammensackte - bewußtlos. Sein weißblondes Haar wurde rot, als es sich wie ein Fächer im Blut seines Opfers verteilte.
In der nächsten Sekunde fiel Aemeras schwarz-rote Mähne über Sandals Gesicht.
Er atmete noch, und ein braunes Auge sah zu ihr auf, ohne sie zu erkennen; das andere war zugeschwollen. Ja, er lebte noch, aber nicht lange, wenn sie nicht schnell etwas unternahm.
Mit der linken Hand griff sie an die silbrige Kugel um ihren Hals, die unter ihrer Berührung weich zu glühen begann; die Rechte fuhr über seinen geschundenen Körper, ohne ihn zu berühren. Ihre Lippen bewegten sich in der Anrufung Levonars, baten um den Segen und die Kraft der Lebensspenderin, während sie Sandals Verletzungen ergründete. Die Schnittwunden von den Schwertern waren noch nicht einmal das Schwerste; Knochenbrüche und Prellungen waren überall zu finden, doch mit Erschrecken stellte sie fest, daß Leber und Milz unter der Wucht der Tritte gerissen waren.
„Neriel, du Hüterin alles Wissens, laß mich das Richtige tun!“ Vor Angst schlug ihr Herz so schnell, daß sie es kaum noch spürte, während sie mit aller Kraft ihre Gebete flüsterte. „Levonar, Schützerin des Lebens, leih mir deine Macht, diesen Mann zu heilen!“ Ihre Hände rissen nun den Anhänger von dem Lederband, und die Glaskugel leuchtete unter der Heilmagie wie eine winzige Sonne, als Aemera das Artefakt über Sandals Herz auf seine Brust drückte. „ Xzarrus, Herrscher des Todes, entlaß diesen Krieger aus deinen eisigen Klauen! Seine Zeit ist noch nicht gekommen! Sceral und Syrthan, so wie ich Euch Zeit meines Lebens stets diente und dienen werde, so laßt heute Eure Magie mir dienen! Kräfte der Erde, tut Euren Dienst...“
Ihre geflüsterten Worte wurden unhörbar, als sie die Mächte verwob, die durch die Kugel in sie drangen. Ströme der Magie wurden in die Wunden gelenkt, die den Mann töten würden, und Schweiß perlte auf ihrer Stirn, rann herab und brannte ihr in den Augen. Sie wagte nicht zu blinzeln, aus Angst, sie könne die allerfeinsten Magiefäden verlieren, die sie mehr mit Intuition denn mit wirklichem Können verwob, um Blutungen zu stillen und gerissenes Gewebe wieder zusammenzufügen.
Plötzlich keuchte Sandal und bäumte sich mit einem Brüllen auf. Seine Glieder zuckten, und ein Arm traf Aemera hart am Kopf. Sie wurde nach hinten geworfen, und ihr Kopf schlug auf den Boden auf. Mit ihrem letzten Gedanken umklammerte ihre Hand noch die Glaskugel, deren Glühen erloschen war, als Sandals Schrei den Zauber gebrochen hatte.
Dann versank sie in der Schwärze der Bewußtlosigkeit.

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Ein Halbelfenjunge würde später am Abend seinen kleineren Geschwistern erzählen, daß niemand sich zuerst getraut hatte, sich den drei Bewußtlosen am Boden zu nähern. Gnome, Menschen, Zwerge, Halbelfen und Elfen hatten die grausige Szenerie umstanden und sprachlos auf das Bild gestarrt, das sich ihnen geboten hatte, nachdem der Schmied aufgehört hatte zu brüllen: Lemnos, der Anführer der Blutelfen, bewußtlos neben seinem Opfer, ohne daß ihn ein Schlag getroffen hätte; der Schmied, der sich trotz seiner Muskeln nicht gegen die Schläge der Elfenbande gewehrt hatte, in einem See seines eigenen Blutes; und daneben, in einem leinenen Unterkleid, das sich vom Blut rot gefärbt hatte, die rothaarige Menschenfrau.
„Ich schwöre euch, sie hat gebrannt!“ würde der Junge im Schein einer Kerze beteuern, während seine Geschwister ihn ungläubig anstarrten. „Sie rief alle Götter an, und dann stand sie in Flammen, bis der Schmied auf einmal anfing zu brüllen! Er hat um sich geschlagen und sie getroffen, und dann lagen sie beide ganz still!“
Er würde die Kerze näher an sein Gesicht holen und die Stimme verschwörerisch senken, wenn er weitersprach: „Niemand hat sich bewegt, keine Vögel sangen mehr, selbst der Wind hielt den Atem an! Es standen nur alle da und starrten - und dann machten sich Fragen breit. Die Leute begannen zu flüstern, wer das sein mochte, aber immernoch hat sich niemand getraut sich zu nähern, und dann...“ Seine Stimme würde zu einem Flüstern werden. „Dann kamen fünf Leute in schwarzen Kutten und haben sie mitgenommen. Die beiden Menschen, meine ich. Lemnos haben sie nicht beachtet, aber den Mann und die Frau haben sie mitgenommen. Wohin?“ Der Halbelfenjunge würde die Achseln zucken und die Kerze ausblasen.
„Wer weiß? Vielleicht haben die Leute in den Kutten nur darauf gewartet, daß die Hexe keine Kraft mehr hatte, und haben sie dann an einen Drachen verfüttert.“
In der Dunkelheit des Kinderzimmers würde seine jüngste Schwester zu weinen beginnen.


© by Oile 2007
 

Why worry?
There are only two things to worry about:

Either you're well, or you're sick.

If you're well, there's nothing to worry about.

If you're sick, there are two things to worry about:

Either you get well, or you die.

If you get well, there's nothing to worry about.

If you die, there are only two things to worry about:

Either you go to Heaven, or to Hell.

If you go to Heaven, there's nothing to worry about.

If you go to Hell, you will be so damn busy shaking hands with your friends, you won't have time to worry.
Es haben sich ganze 79846 Besucher (301509 Hits) hierher verirrt... wow. ;)
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